Bericht vom Gottesdienst zur Schöpfungswoche 2022

Am Sonnabend, 10. September feierten wir Gottesdienst mit Posaunen, Chorgesang, Mitsingen, mit Bibeltexten und natürlich einer Predigt.

Dieser Gottesdienst war wirklich ökumenisch:

  • Musik: Ev.-Luth. Bugenhagen-Gemeinde
  • Chor: Neuapostolische Gemeinde
  • Predigt: Helmut Röhrbein-Viehoff, Kath. Pfarrei Heilige Elisabeth
  • Segen: Dietmar Ullrich, Friedenskirche (Baptisten)
  • und dann werden noch besondere Rundbretter beschriftet

Impressionen finden Sie weiter unten in diesem Beitrag.

Die Predigt von Helmut Röhrbein-Viehof

Katholische Pfarrei Heilige Elisabeth

Predigt Ökumenischer Gottesdienst 10. September 2022, Bergedorf zur Bewahrung der Schöpfung / Klima-Gerechtigkeit

Brennende Wälder, schwelender Boden, versiegende Quellen, ausgetrocknete Flüsse, anhaltende Hitzeperioden, aber auch verheerende Stürme, Wolkenbrüche, Überschwemmungen – die Natur schlägt zurück!

Das ist wohl die Antwort auf unser Verhalten ihr gegenüber: vor allem die westliche, die industrialisierte Welt hat in den letzten 150 Jahren ein Dominanzverhalten gegenüber der Erde samt ihrer Fauna und Flora an den Tag gelegt, welches die Natur vorrangig dem ausbeutenden Zugriff unterwirft.

Eine Folge: der Klima-Wandel / die Klima-Krise – nein, richtiger: die Klima-Katastrophe!

Jetzt kann sie niemand mehr leugnen; die Auswirkungen waren in den letzten Monaten – auch in Europa, auch bei uns – unübersehbar.

Bischöfin Susan Bell von der kanadischen Diözese Niagara sagte kürzlich auf der sog. Lambeth-Konferenz, einem weltweiten Zusammenschluss aller Anglikanischen Kirchen:

„Wir müssen viel mehr Lärm machen gegen den Klimawandel!“

Lärm machen, Aufsehen erregen – das praktiziert auch die Gruppierung „Extinction Rebellion“ mit ihren Methoden, z.B. der erzwungenen Unterbrechung des Straßenverkehrs auf der Bergedorfer Straße. „Unterbrechung“ – sagt übrigens der bedeutende katholische Theologe Johann Baptist Metz – „Unterbrechung ist die kürzeste Definition von Religion“.

Religion unterbricht den Betrieb, stört das Geschäft, legt sich quer, leistet Widerstand gegenüber den herrschenden Verhältnissen. Zumindest das Potential hat sie dazu… Nicht zuletzt deshalb feiern wir – Menschen aus sehr verschiedenen Kirchen und Konfessionen – diesen Gottesdienst – nun schon zum 2. Mal.

Wir haben uns dabei einen anspruchsvollen Bibeltext zugemutet – aus dem Brief des Apostels Paulus an die Christen in Rom (Röm 8, 18-25) – sein letzter uns überlieferter Brief, gewissermaßen schon sein theologisches Vermächtnis. Paulus spricht darin vom Seufzen der ganzen Schöpfung: „Wir wissen, das die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt“ (Röm 8,22).

Ja, die Schöpfung seufzt und ächzt – heute mehr denn je. Sie stöhnt unter dem Zugriff der Menschen. Sie windet sich und sucht, ihrer Vergewaltigung zu entkommen – vergeblich. Der Mensch unterwirft sich die Natur – in Fehlinterpretation des biblischen Auftrags „Füllt die Erde und unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!“ (Gen 1,28).

Fehldeutung deshalb, weil der Mensch in biblischer Sicht als „Bild Gottes“, d.h. als sein Repräsentant, für die Schöpfung verantwortlich ist. Der sog. Zweite Schöpfungsbericht – der natürlich kein „Bericht“ ist, sondern ein Mythos, welcher erzählt, was niemals war und immer ist – erzählt von Gottes ausdrücklichem Auftrag an den Menschen, den Garten, den er ihm als Lebensraum anvertraut, zu pflegen und zu bewahren (Gen 2,15) – und nicht, ihn auszubeuten und zu zerstören.

Was haben wir aus diesem Auftrag gemacht!

Indem wir die Natur mit unserer instrumentellen Vernunft überzogen und zum Objekt gemacht haben, haben wir auch uns selber pervertiert. Statt Partner zu sein mit der Natur, haben wir uns ins Gegenüber zur Natur gesetzt. Statt uns als Mitgeschöpfe in der großen Schöpfung Gottes zu verstehen, missverstehen wir uns als Herren der Schöpfung. Übrigens: „Krone der Schöpfung“ ist nach biblischem Verständnis nicht der Mensch – sondern der Schabbat – die Ruhe am 7. Tag. Damit wären wir wieder bei „Religion als Unterbrechung“…

Statt uns als Hüter und Bewahrer unser Mitwelt zu engagieren, handeln wir global nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“. Ja, die Sintflut kommt schon. Der Meeresspiegel steigt aufgrund der Erwärmung der Atmosphäre unaufhaltsam.

Das trifft nicht nur die Niederlande oder die Halligen an der Nordsee- Küste, sondern viel mehr und viel schneller die armen Länder des Südens – wie Bangladesh oder kleine Insel-Staaten wie Vanuatu im Pazifischen Ozean, die einfach von der Bildfläche verschwinden werden.

Oder denken wir aktuell an Pakistan: rund ein Drittel des Landes steht – nach wochenlangen Rekordregenfällen und Sturzfluten – unter Wasser; bis vorigen Donnerstag wurden bereits 1.343 Tote gezählt.

Die Folgen des menschengemachten Klima-Wandels treffen die Armen sehr viel heftiger – die doch am wenigsten daran Schuld sind.

Darum sprechen wir auch von Klima-Gerechtigkeit, die es herzustellen gilt. Gerechtigkeit zwischen Nord und Süd, zwischen Arm und Reich in der Einen Welt. Diese Klima-Gerechtigkeit ist eine Aufgabe, die in erster Linie wir, die bisherigen Nutznießer der Ausbeutung der Natur, zu leisten haben. Denn wir, die Industrieländer, haben seit 150 Jahren massiv gegen die Natur aufgerüstet. Jetzt müssen wir dringend abrüsten. Das wird von uns auch Verzicht auf liebgewordenen Wohlstand bedeuten.

Bei dieser großen Anstrengung könnten wir Christen, könnten die Kirchen weltweit und gemeinsam vorangehen.

Einer, der als Anführer der Christenheit, aber auch aller anderen Menschen guten Willens entschieden vorangeht, ist Papst Franziskus mit seiner wegweisenden Enzyklika „Laudato si ́“ von 2015.

Doch jetzt lasse ich noch mal Paulus zu Wort kommen: „Die Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes“ (Röm 8,19) – heute hätte er gewiss geschrieben: „der Söhne und Töchter Gottes“.

Ja, die Welt wartet auf uns: dass wir uns wahrhaft als Söhne und Töchter des Schöpfergottes erweisen, der diese Welt als Lebenshaus für alle – Pflanzen, Tiere und Menschen – erschaffen hat.

Wenn wir uns als Kinder dieses einen Vaters begreifen, dann können wir sein Erbe nicht verderben. Dann werden wir zu Avangardisten eines anderen, eines befreiten und befreienden Umgangs mit der Schöpfung.

Denn – so sagt Paulus – „auch sie, die Schöpfung, soll von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8,21).

Also: biblisch ist Erlösung nur denkbar zusammen mit der Schöpfung – nicht gegen sie! Rettung gibt es nur dann, wenn wir uns einfügen in den großen Zusammenhang, den wir Natur nennen. Denn „auch wir seufzen in unserem Herzen und warten darauf, das wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne (und Töchter Gottes) offenbar werden“ (Röm 8, 23b).

Ja, biblisch geht es nie um eine abstrakte „Seele“, sondern immer um den „Leib“, um die leibhafte, ganzheitliche Existenz des Menschen. Es geht nicht um Erlösung vom Leib, sondern um Erlösung des Leibes – aus all den entfremdenden Strukturen und tödlichen Verhältnissen, mit denen wir Menschen uns selber kaputt machen.

Um daran zu glauben und dafür zu arbeiten, brauchen wir viel Hoffnung.

„Auf Hoffnung hin sind wir gerettet“ schreibt Paulus nach Rom; „Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung“ (Röm 8,24).

Wie viel Hoffnung haben wir? Und wie viel Hoffnung brauchen wir angesichts der Größe der Aufgaben? Denn noch sind Erfolge ja kaum in Sicht. Noch sehen wir nicht das Ziel – und streiten sogar um den Weg dorthin. Dieser Streit ist not-wendig – wenn er sachlich und fair geführt wird. Aber auch mit Leidenschaft und Geduld.

Um ein letztes Mal Paulus zu zitieren: „Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld“ (Röm 8, 25).

Geduld: ja! Aber keine bequeme Geduld, sondern leidenschaftliche Geduld und geduldige Leidenschaft! Oder, um den Titel eines Gedichtbands (1974) der evangelischen Theologin Dorothee Sölle aufzugreifen: mit revolutionärer Geduld.

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